Fehlgeburt: Anzeichen, Ursachen und Wissenswertes
Vor allem zu Beginn einer Schwangerschaft kommt es häufig zu Fehlgeburten. Der Verlust kann die Frau und ihren Partner extrem belasten. Sie fühlen sich häufig damit alleingelassen. Erfahre mehr über die möglichen Ursachen, die Diagnose, Maßnahmen und verschiedene Hilfsangebote.
✔️ in Zusammenarbeit mit Dr. med. Konstantin Wagner, Gynäkologe
Fehlgeburt – was versteht man darunter?
Eine Fehlgeburt bedeutet, dass eine Frau ihr ungeborenes Kind vor der 24. Schwangerschaftswoche verliert. Auch wenn es weniger als 500 Gramm wiegt, sprechen Ärzte von einer Fehlgeburt. Um eine Totgeburt handelt es sich, wenn ein Baby nach der 24. Schwangerschaftswoche im Bauch der Mutter stirbt oder mehr als 500 Gramm wiegt.
Bei der Fehlgeburt unterscheidet die Medizin grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen Arten:
- Ein Frühabort bedeutet, dass ein frühzeitiger Verlust bis einschließlich der zwölften Schwangerschaftswoche stattfindet. Die Ursache liegt dabei in der nicht weitergewachsenen oder sogar abgestorbenen kindlichen Anlage in der Gebärmutter. Diese wird bis zur neunten Woche als Embryo bezeichnet, danach sprechen Ärzte bis zur Entbindung von einem Fötus.
- Als Spätabort gilt der Abgang zwischen der 13. und 24. Schwangerschaftswoche. Ein tot geborenes Kind, dessen Geburtsgewicht unter 500 Gramm liegt, gehört ebenfalls zu dieser Gruppierung. Für eine späte Fehlgeburt sind oftmals körperliche Ursachen, wie eine Schwäche des Gebärmutterhalses, eine Infektion und ein dadurch ausgelöster vorzeitiger Blasensprung verantwortlich. Diese Art von Fehlgeburt tritt gehäuft bei Mehrlingsschwangerschaften auf. Aber auch extremer Stress kann zusätzlich zu anderen Faktoren dazu führen. Bei einem Spätabort muss das Kind von der Frau geboren werden. Darauf folgt meist eine Ausschabung, um verbleibende Gewebeteile zu entfernen.
Wie viele Frauen erleiden eine Fehlgeburt?
Die Wahrscheinlichkeit, dass du eine Frau kennst, die schon einmal eine Fehlgeburt hatte, ist recht groß. Zwölf bis 24 Prozent der Schwangeren haben das durchlebt. Statistiken geben Aufschluss darüber, wie hoch die Anzahl der Aborte wirklich ist:
- Eine von sieben Schwangerschaften weltweit endet mit einer Fehlgeburt. Mehr als jede zehnte Frau auf der Welt erleidet mindestens einmal in ihrem Leben einen Abort. Die Gesamtanzahl pro Jahr beläuft sich laut einer Studie auf rund 23 Millionen - das sind rund 44 frühzeitige Schwangerschaftsabbrüche pro Minute.
- In Deutschland erleidet laut Informationen des Berufsverbandes der Frauenärzte jede dritte Frau vor der zwölften Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt.
Hohe Dunkelziffer
Es wird vermutet, dass sowohl weltweit als auch innerhalb Deutschlands die Zahl der Aborte wesentlich höher ist. Grund dafür ist, dass nicht jede Fehlgeburt den zuständigen Behörden gemeldet wird. Das liegt häufig daran, dass sich Frauen schämen und zudem Angst haben, nicht ernst genommen zu werden. Außerdem bleiben viele Aborte oftmals unbemerkt, da die Schwangeren gar nicht wissen, dass sie ein Baby erwarten – auch diese müssen in die Dunkelziffer miteinberechnet werden.
In welcher Schwangerschaftswoche treten die meisten Aborte auf?
Die meisten frühzeitigen Fehlgeburten erfolgen bis zur zehnten Schwangerschaftswoche. In dieser Zeit sinkt das Risiko einer Fehlgeburt von anfangs fast 25 Prozent auf ungefähr 0,5 Prozent. Ab der elften Woche bleibt es in etwa auf diesem Niveau, sodass die aufgrund des weiteren Fortschritts der Schwangerschaft psychisch besonders belastenden Spätaborte im Vergleich deutlich seltener vorkommen.
Woran ist eine drohende Fehlgeburt zu erkennen?
Folgende Anzeichen deuten auf eine drohende oder bereits geschehene Fehlgeburt hin:
- stärkere, länger anhaltende Blutungen mit Klümpchen
- Unterleibskrämpfe und sehr starke Schmerzen sowie menstruationsähnliches Ziehen im Unterbauch
- sehr starke Schmerzen im Bereich des unteren Rückens
- Fieber und Kopfschmerzen
Sei jedoch nicht bei jeder kurzen Blutung oder jedem Ziehen besorgt. Solltest du mehrere Symptome verstärkt bei dir feststellen, ist es allerdings an der Zeit, deinen Frauenarzt aufzusuchen.
Warum kommt es zu einer Fehlgeburt?
Mittlerweile weiß man, dass sich Frühaborte in rund 60 Prozent der Fälle auf schwere Schäden im kindlichen Erbgut zurückführen lassen. Da der Körper merkt, dass das Kind nicht lebensfähig wäre, bricht er die Schwangerschaft ab. Vor allem im ersten Trimester lösen unter anderem auch Infektionen einen Abort aus. Zu den weiteren Ursachen gehören:
- Abstoßungsreaktionen des mütterlichen Körpers, die sogenannte immunologische Sterilität
- Fehlbildungen, beispielsweise durch eine zusätzliche Trennwand in der Gebärmutterhöhle
- gutartige Tumore in der Gebärmutter, sogenannte Myome
- Hormonstörungen und entwicklungsschädigende Medikamente wie Steroide, die eine muskelaufbauende Wirkung haben
- Unterfunktion der Schilddrüse
Spätere Fehlgeburten können ebenfalls mehrere Gründe haben:
- genetische oder chromosomale Defekte
- Stoffwechselstörungen
- andere chronische Erkrankung der Mutter wie Diabetes
- bakterielle oder Virusinfektionen, beispielsweise Toxoplasmose und Listeriose
- Zervixinsuffizienz: weicherer und kürzerer Gebärmutterhals, wodurch sich der Muttermund während der Schwangerschaft verfrüht öffnet
Risiko einer Fehlgeburt verringern
Leider gibt es kein Patentrezept, mit dem du einen Abort in jedem Fall verhindern kannst. Dafür sind die Ursachen zu unspezifisch. Risikopatientinnen und auch gesunde Schwangere können jedoch einiges dafür tun, um die Gefahr eines vorzeitigen Abbruchs zu verringern.
- gesunder Lebensstil und Verzicht auf Genussmittel und Drogen
- ausführliche Aufklärung über Risikofaktoren
- regelmäßige Vorsorge während der Schwangerschaft
- Warnzeichen ernst nehmen
- bei Blutungen und Schmerzen sofort ins Krankenhaus fahren
- bei früherer Fehlgeburt: mögliche medizinische Ursachen oder Vorerkrankungen ausschließen oder frühzeitig erkennen
Diagnose und Therapie bei Fehlgeburten
Sobald du einige der genannten typischen Anzeichen bei dir feststellst, solltest du schnellstmöglich deinen Frauenarzt aufsuchen. Es gibt unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Diagnostik, die je nach auftretenden Symptomen angewendet werden. Welche das genau sind, erfährst du im folgenden Abschnitt.
Diagnose
Dein Arzt wird zunächst deinen Bauch gründlich abtasten, um zu prüfen, ob noch Wehentätigkeiten und starke Schmerzen vorhanden sind. Daraufhin wird die Vagina und der Gebärmutterhals untersucht, wobei der Fokus auf dem Muttermund liegt. So kann beurteilt werden, ob dieser noch geschlossen oder schon etwas geöffnet ist beziehungsweise ob er schmerzt. Auch den Ursachen für unnatürliche Blutungen, und woher diese stammen, geht er im Zuge der Untersuchung nach.
Bei dem Verdacht eines Aborts ist zudem eine Ultraschalluntersuchung unerlässlich. Dabei kann der Arzt feststellen, ob das Baby im Bauch der werdenden Mutter noch lebt. Das geschieht mithilfe des Herzschlags, der in etwa ab der sechsten bis siebten Schwangerschaftswoche nachzuweisen sein müsste.
Der Gynäkologe kann mittels des Ultraschalls zudem einen Bluterguss hinter der Plazenta sehen, der eine mögliche Fehlgeburt anzeigt. In diesem Fall müssen schnellstmöglich entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. In manchen Fällen liefert die Sonografie keine eindeutigen Hinweise, sodass in regelmäßigen Abständen das Schwangerschaftshormon Beta-hCG bestimmt wird. Es wird im Mutterkuchen gebildet und regt den Gelbkörper des Eierstocks zur Produktion von Progesteron an. Das wiederum ist für den Erhalt der Schwangerschaft verantwortlich. Ein fehlender Anstieg oder sogar Abfall dieses Wertes kann ein Anzeichen für einen Abort sein.
Therapie
Die Behandlung nach einer Fehlgeburt richtet sich im Wesentlichen nach der Form des Aborts. Bei einem drohenden frühzeitigen Schwangerschaftsabbruch gibt es keine speziellen Behandlungsmöglichkeiten mit Medikamenten oder Ähnlichem. Dein Arzt wird dir in diesem Fall vor allem strikte Bettruhe verordnen. Zudem muss das Ungeborene immer wieder mittels eines Ultraschalls überwacht werden. Sollte es sich um einen drohenden Spätabort handeln, bei dem bereits eine Wehentätigkeit eingesetzt hat, werden Medikamente verabreicht, die diese hemmen sollen.
Das Risiko für eine frühe Fehlgeburt kann vorab durch die Gabe von Hormonpräparaten verringert werden, da diese oftmals durch eine Gelbkörperinsuffizienz ausgelöst werden. Bei einem unvollständigen Abort ist eine Ausschabung der Gebärmutter erforderlich, um die Gefahr anhaltender Blutungen oder schwerer Infektionen zu vermeiden.
Mehrfache Fehlgeburten
Wenn drei oder mehr aufeinanderfolgende Aborte durch einen Arzt diagnostiziert wurden, spricht man von mehrfachen Fehlgeburten. Da in diesem Fall üblicherweise ein expliziter Kinderwunsch besteht, wird die intensive Abklärung der Ursachen von Ärzten empfohlen.
Folgende Untersuchungen sind dabei besonders sinnvoll:
- Analyse des Chromosomensatzes beider Partner, um eine Veränderung frühzeitig zu erkennen
- Zyklusmonitoring inklusive Abklärung der hormonellen Situation, Untersuchung der Schilddrüsenwerte
- vaginale Ultraschalluntersuchung zur Beurteilung der Gebärmutter sowie Entdeckung von Myomen oder Ähnlichem
- Abstrich zur Abklärung von Infektionen, zum Beispiel Chlamydien
- bei übergewichtigen Frauen: Zuckerbelastungstest zur Abklärung eines nicht unmittelbar sichtbaren Diabetes, der im Falle einer Schwangerschaft problematisch werden könnte
Erkundige dich bei deiner Krankenkasse, welche der medizinischen Untersuchungen von ihr übernommen werden können.
Engmaschige Betreuung bei der Schwangerschaft
Die Art der Therapie richtet sich nach der Ursache für die wiederholten Fehlgeburten. Leider kann in vielen Fällen eben diese nicht festgestellt werden.
Viele Ärzte empfehlen den Betroffenen, eine psychologische Betreuung bei einer Folgeschwangerschaft in Anspruch zu nehmen. Frauen mit mehrfachen vorzeitigen Schwangerschaftsabbrüchen, die erneut ein Baby erwarten, sollten jederzeit die Möglichkeit haben, Kontakt mit ihrem Gynäkologen aufzunehmen. Zudem ist eine engmaschige Betreuung vor der Geburt sinnvoll.
Wie können Eltern eine Fehlgeburt verarbeiten?
Abschieds- und Trauerprozesse laufen bei jedem unterschiedlich ab.
- Viele Frauen und Männer, die die schmerzliche Erfahrung einer Fehlgeburt gemacht haben, wenden sich in der Zeit danach an eine Beratungsstelle wie pro familia, die in ganz Deutschland Standorte hat. In den Gesprächen wird oft deutlich, dass vielen Betroffenen schon eine Beratungsstunde, in der sie berichten, wie es ihnen geht, ausreicht. Andere benötigen mehrere Treffen und kommen in regelmäßigen Abständen zum Austausch vorbei.
- Psychotherapie: In einzelnen Fällen ist ein frühzeitiger Schwangerschaftsabbruch ein so traumatisches Erlebnis, das eine Depression auslösen kann, die therapeutisch behandelt werden sollte. Doch auch ohne Depression kannst du selbstverständlich eine Therapie in Anspruch nehmen. Die Beratungsstelle hilft dir individuell dabei, herauszufinden, was für dich das Richtige ist und kann mit dir verschiedene Angebote und Anlaufstellen recherchieren.
- Natürlich ist auch das familiäre und freundschaftliche Umfeld für viele Frauen und deren Partner ein wichtiger Halt. Hier fühlen sie sich meist schon sehr gut aufgehoben.
- Tausche dich in Selbsthilfegruppen mit anderen Betroffenen aus oder wende dich an Initiativen im Internet. Dort wird dir viel Verständnis und Mitgefühl entgegengebracht. So erkennst du, dass du nicht allein bist.
Die Angst vor einer Fehlgeburt beschäftigt beinahe jedes Paar in den ersten Schwangerschaftswochen. Das ist normal. Sobald der Embryo aber in der Gebärmutterhöhle sitzt und ein Herzschlag sichtbar wird, verringert sich die statistisch oft erschreckend hohe Zahl immens. Gynäkologe Dr. med. Konstantin Wagner
Gynäkologe
Dr. med. Konstantin Wagner ist Facharzt für Gynäkologie und Geburtsmedizin und arbeitet als niedergelassener Arzt in seiner Praxis in Kassel. Darüber hinaus teilt er als Medizin-Influencer sein Fachwissen über Social-Media-Plattformen und bietet Onlinekurse zu verschiedenen Themen an, um die gesundheitliche Aufklärung für Frauen jeden Alters zu fördern. Bei FamilienMomente informiert er rund um die Themen Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett.