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Mein Baby überstreckt sich: Warum und was kann ich tun?

Wenn sich Babys überstrecken oder häufig und viel weinen, fühlen sich viele Eltern hilflos. Sie suchen nach Erklärungsansätzen und Therapien. In unserem FamilienMoment erfährst du, warum dabei die Beurteilung durch den Kinderarzt besonders wichtig ist.

✔️ in Zusammenarbeit mit Dr. med. Snjezana-Maria Schütt, Kinderärztin

Bedeutung

Überstrecken beim Baby: Was heißt das?

Eben noch war das Baby entspannt, doch dann überstreckt es sich plötzlich: Es streckt seinen Kopf so weit nach hinten, dass die Körperhaltung fast bogenförmig erscheint. Meist sind dabei weitere Muskelgruppen, insbesondere die Rückenmuskulatur, angespannt oder die Arme nach hinten gestreckt. Oft weint der Säugling und zeigt auf diesem Wege, dass er sich unwohl fühlt.

In den meisten Fällen sind diese Phasen kurz und das Baby lässt sich durch körperliche Nähe oder das Stillen eines anderen Bedürfnisses wie Hunger beruhigen. Wenn es sich allerdings über längere Zeit und immer wieder überstreckt, solltest du zur Abklärung zum Arzt gehen.


Ursachen

Baby überstreckt sich – fünf mögliche Ursachen

Wenn sich dein Baby überstreckt, ist es normal, dass du dir Sorgen machst. Führe ein Tagebuch, um Zusammenhänge mit Alltagssituationen wie der Nahrungsaufnahme herstellen zu können. Dies hilft auch dem Kinderarzt, die Situation einzuschätzen und mögliche Ursachen schneller zu erkennen.

Einfluss der Geburt auf den Bewegungsapparat deines Babys

Unsere Bewegungen werden durch den sogenannten Bewegungsapparat gesteuert. Dieser beinhaltet das Zusammenspiel von Muskeln, Knochen und Gelenken. Insbesondere der kindliche Schädel unterliegt sowohl vor als auch während und nach der Geburt verschiedenen Einflüssen, die unter anderem zu einer Verformung führen oder das Bewegungsmuster des Kindes beeinflussen können. Dadurch kann es zu einem muskulären Ungleichgewicht kommen, was wiederum ein Grund für das spätere Überstrecken deines Babys sein kann. Wie genau es zu den Verformungen kommt, haben wir hier zusammengefasst.

  • Während der Geburt: Durch die Lage des Kindes in der Gebärmutter, den Durchtritt durch den engen Geburtskanal oder den Einsatz von geburtshilflichen Maßnahmen wie einer Zange oder einer Saugglocke kann es zu einer Verformung des Schädels kommen. Dies liegt daran, dass die Schädelnähte des kleinen Kopfes erst im Laufe der ersten Lebensjahre verknöchern und sich dadurch die Schädelplatten verschieben können. Diese Verformungen bilden sich meist wieder zurück, können jedoch ein Grund für eine auffällige Kopfhaltung oder Unruhe sein. 
  • Nach der Geburt: Auch nach der Geburt können Schädelverformungen entstehen, zum Beispiel dann, wenn es lagerungsbedingt zu einer punktuellen Druckbelastung kommt. Sollte dein Baby eine Seite bevorzugen oder sein Hinterkopf im Laufe der Zeit abflachen, frage deinen Kinderarzt um Rat. Er untersucht dein Kind im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung regelmäßig und berät dich bei allen Fragen. Der Arzt klärt, ob möglicherweise eine kinderphysiotherapeutische Behandlung notwendig ist oder ob es ausreicht, die unbeliebte Seite deines Babys durch gezielte Maßnahmen zu fördern. Um Schädelverformungen, die nach der Geburt entstehen, vorzubeugen, gibt es ein paar leicht umzusetzende Methoden. Diese können dafür sorgen, dass sich dein Nachwuchs im weiteren Verlauf nicht überstreckt, sobald es zu einer muskulären Anspannung durch Weinen kommt. 

Schädeldeformationen nach der Geburt vorbeugen

Für dein Baby sind die Eltern die wichtigsten und interessantesten Bezugspersonen. Achte bei der Interaktion mit deinem Baby darauf, es von verschiedenen Seiten anzusprechen. Auch beim Füttern oder Wickeln sollte es den Kopf in verschiedene Richtungen wenden, um dich zu sehen und zu hören. Eine wechselnde Ausrichtung des Bettchens oder der Wickelkommode ist ebenfalls hilfreich sein. Durch diese Maßnahmen reduzierst du das Risiko einer Vorzugshaltung.

Durch die sogenannte „tummy time”, die kurzfristige Bauchlage des wachen Babys unter deiner Beobachtung, minderst du das Risiko einer lagerungsbedingten Verformung des Schädels. Lass dich hierzu bitte von deinem Kinderarzt beraten.

Überstrecken durch Muskelanspannung

Dein Baby ist in allen Bereichen auf deine elterliche Fürsorge und Hilfe angewiesen. Dabei ist das Weinen ein wichtiger und natürlicher Ausdruck, mit dem es dir als Bezugsperson seine Grundbedürfnisse mitteilt. Es gibt viele Gründe, weshalb Babys weinen: Das kann das Bedürfnis sein, den Hunger oder Durst zu stillen, Schmerzen oder Unwohlsein zu lindern, aber auch das Verlangen nach Schlaf, Nähe, Sicherheit und Geborgenheit. 

Versuche, dein Baby zu beruhigen

Um dein Baby zu trösten, wendest du dich ihm zu, nimmst es auf den Arm, tröstest es durch beruhigende Worte, Geräusche oder Handlungen. Versuche, das Bedürfnis, das das Weinen auslöst, zu stillen und dein Baby dadurch zu beruhigen. Häufig geht das Weinen mit einer allgemeinen muskulären Anspannung deines Babys einher, die dafür sorgt, dass es sich streckt. Diese normalisiert sich meist mit dem Beruhigen wieder.

Wachstumsschübe

Während sich der medizinische Begriff des Wachstumsschubs auf eine bestimmte Phase beim Längenwachstum bezieht, wird der Begriff in vielen Ratgebern in Bezug auf die kindliche Entwicklung verwendet. Dabei werden innerhalb der ersten 14 Monate verschiedene Phasen beschrieben, in denen dein Baby scheinbar schubweise neue Fertigkeiten erlangt. Um diese Entwicklungsschübe herum werden bestimmte Verhaltensweisen beschrieben, wie etwa häufiges Weinen, ein stärkeres Bedürfnis nach Nähe oder auch eine vermehrte muskuläre Anspannung. Dadurch kann es zum temporären Überstrecken kommen, was sich jedoch legt, sobald sich dein kleiner Schatz wieder beruhigt hat. 

Schenke deinem Baby Geborgenheit

Am besten kannst du deinem Nachwuchs in diesen Momenten helfen, wenn du ihm viel Ruhe, Geduld und Geborgenheit schenkst. Denn egal, aus welchem Grund er unter Anspannung steht – das Gefühl deiner Nähe wird ihm dennoch Sicherheit schenken. So kannst du ihm helfen, besser durch diese Phase zu kommen. Weitere Informationen dazu findest du in unserem Artikel über Wachstumsschübe

Bauchschmerzen oder Koliken

Lang anhaltende, wiederkehrende Schreiattacken und Unruhezustände ohne erkennbaren Grund treten bei etwa 15 bis 20 Prozent gesunder Babys auf. Meist beginnen diese um die zweite Lebenswoche herum und halten bis zum Ende des dritten Lebensmonates, manchmal auch länger, an.

Ursachen der Unruhephasen

In den meisten Fällen treten die Unruhephasen nachmittags oder am frühen Abend auf. Die betroffenen Kinder lassen sich währenddessen kaum oder nur schwer beruhigen, überstrecken sich zum Teil, haben oftmals einen hochroten Kopf, zu Fäusten geballte Hände, angezogene Beinchen und einen geblähten Bauch. Aus diesem Grund ging man bis vor einiger Zeit davon aus, dass Bauchschmerzen oder Koliken der Grund für die Symptome sind.

Mittlerweile weiß man jedoch, dass die Symptome, zum Beispiel die vermehrte Gasbildung im Darm vieler Säuglinge, eher die Folge des übermäßigen Schreiens sind, da dabei viel Luft verschluckt wird. Grundsätzlich können einige Magen-Darm-Beschwerden zwar zu Schreiepisoden beim Baby führen, sie sind jedoch nur selten die Ursache. Im Zweifel solltest du auch hier das Gespräch mit dem Kinderarzt suchen. Deinem Kind helfen sanfte Bauchmassagen im Uhrzeigersinn oder auch Wärme, zum Beispiel durch ein Körnerkissen. Achte darauf, das Körnerkissen nicht zu heiß aufzulegen, sondern nur leicht anzuwärmen. Kontrolliere vor dem Auflegen unbedingt die Temperatur.

Frage den Kinderarzt um Rat

Wenn dein Baby eines oder mehrere der folgenden Symptome aufweist, solltest du auf jeden Fall den Kinderarzt aufsuchen, um eine organische Ursache abzuklären:

  • extremes, hochfrequentes und schrilles Schreien
  • tageszeitlich unabhängiges und nächtliches Schreien
  • Übelkeit, Würgen oder Erbrechen
  • Stuhlauffälligkeiten wie Durchfall, Schleim- oder Blutbeimengungen
  • Gedeihstörungen, das heißt dein Baby nimmt nicht altersgerecht an Gewicht zu oder verliert sogar Gewicht

Reizüberflutung

Bei der sogenannten frühen Regulationsstörung geht man davon aus, dass die selbstregulatorischen Fähigkeiten der betroffenen Babys noch nicht entsprechend entwickelt sind. Das bedeutet, dass sie Schwierigkeiten haben, sich ihrem Alter entsprechend selbst zu beruhigen. Auch eine Überforderung durch Umgebungsreize wird vermutet. So kann ein turbulenter Alltag mit vielen verschiedenen Reizen für manche Kinder zur Überforderung werden und Stress verursachen, der sich durch verschiedene körperliche Reaktionen ausdrücken kann.

So verhinderst du eine Reizüberflutung

Das kannst du tun, um dein Baby vor einer Überforderung und zu vielen Reizen zu schützen:

  • Beschränke die Anzahl an Besuchern, die zu euch nach Hause kommen. 
  • Plane nicht zu viele Aktivitäten am Tag ein.  
  • Erkläre größeren Geschwisterkindern, wie sie sich dem Baby angemessen nähern können. Weise sie darauf hin, dass es Phasen gibt, in denen das Baby Ruhe braucht. 
  • Schaffe einen ruhigen, eventuell auch abgedunkelten Raum, in den du dich mit deinem Baby zurückziehen kannst.
  • Vielen Babys hilft der Körperkontakt und die Nähe zu ihren Bezugspersonen bei der Reizabschirmung. Hier kann eine spezielle Trage hilfreich sein. Informiere dich bei einer Trageberaterin.
Gerade in den ersten Monaten als Familie gibt es viele besonders schöne, aber auch viele sehr herausfordernde Momente. Vor allem dann, wenn ein Baby viel und untröstlich weint, sehr unruhig ist oder sich häufig überstreckt, sind viele Eltern besorgt und suchen nach möglichen Ursachen und Therapien. Oftmals informieren sie sich auch im Internet, was in vielen Fällen zu einer noch größeren Verunsicherung führt. Denn viele der in dem Zusammenhang auftauchenden „Diagnosen und Therapieansätze“ haben keinen wissenschaftlich nachgewiesenen Effekt und werden daher aus kinderärztlicher Sicht nicht empfohlen. Kinderärztin Dr. med. Snjezana-Maria Schütt

KiSS-Syndrom

Welche Bedeutung hat das KiSS-Syndrom? 

Als Erklärung für übermäßiges Schreien von Babys wird immer wieder auch das KiSS-Syndrom genannt. KiSS steht für „Kopfgelenk-induzierte Symmetrie-Störung“. International wird es als „Tonus-Asymmetrie-Syndrom“ bezeichnet.

Wissenschaftlicher Nachweis nicht gegeben

Zu diesem Thema gibt es viele verschiedene und oft diskutierte Meinungen. Einen wissenschaftlichen Nachweis gibt es jedoch weder für die Diagnose eines KiSS-Syndroms noch für den Nutzen einer osteopathischen Behandlung bei Säuglingen, die sich überstrecken oder sehr unruhig sind. Darauf weist unter anderem auch die Deutsche Gesellschaft für Osteopathische Medizin hin. Die Bundesärztekammer gibt in dem Zusammenhang an, dass aufgrund des erhöhten Risikos insbesondere Manipulationen mit Impuls an der Wirbelsäule vermieden werden sollten. 

Beratung durch den Kinderarzt

Dein Kinderarzt wird dein Baby untersuchen und dir erklären, ob und welche Behandlung erforderlich und sinnvoll ist. Denn auch wenn es anstrengend und herausfordernd sein kann, gehören viele Besonderheiten zum Säuglingsalter dazu und stellen nicht immer einen behandlungsbedürftigen Zustand dar.  


Arzt aufsuchen

Überstreckung ärztlich abklären lassen

Dein Baby überstreckt sich und du bist dir unsicher, ob du deshalb zu einem Arzt gehen solltest? Wenn du mindestens eine der folgenden Fragen bejahst, ist ein Arztbesuch sinnvoll.

  • Überstreckt sich dein Baby häufig und lässt es sich dabei schwer beruhigen? 
  • Bevorzugt dein Baby eine Seite seines Körpers? 
  • Bereitet euch das Stillen, zum Beispiel auf einer Seite, Schwierigkeiten? 
  • Entwickelt sich die Kopfform deines Babys ungleich oder erkennst du eine Verformung? 
  • Hat dein Baby eines oder mehrere Begleitsymptome?
  • Nimmt es nicht ausreichend an Gewicht zu beziehungsweise ab oder wächst es nicht altersgerecht?

Notizen für den Arztbesuch

Auch wenn andere Symptome vorliegen, die dir Sorge bereiten, solltest du das Gespräch mit dem Kinderarzt suchen. Mache dir Notizen, wann das Überstrecken auftritt und was du bisher versucht hast, um seine Beschwerden zu lindern. Deine Notizen helfen dem Arzt, die Ursache schneller zu ergründen. Da dein Baby das Überstrecken wahrscheinlich nicht während des Besuches in der Arztpraxis zeigen wird, können für den Arzt auch Fotos oder Videos von vergangenen Überstreckungen hilfreich sein. 

Ich möchte Eltern darin bestärken, sich im Zweifel immer an ihren behandelnden Kinderarzt zu wenden und sich fachlich beraten zu lassen. Denn viele Besonderheiten im Säuglingsalter sind zwar herausfordernd, stellen jedoch nicht immer einen behandlungsbedürftigen Befund dar. Das Wissen dazu und eine entsprechende Aufklärung kann bereits zu einer Entlastung der familiären Situation führen. Und in den Fällen, in denen eine medizinische Ursache vermutet wird, sollte auch eine wissenschaftliche nachgewiesene Diagnostik und Therapie erfolgen. Kinderärztin Dr. med. Snjezana-Maria Schütt

Über Dr. med. Snjezana-Maria Schütt

Kinderärztin

Porträt: Dr. med. Snjezana-Maria Schütt

Dr. med. Snjezana-Maria Schütt ist Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und Mutter von zwei Kindern. Nach ihrer Facharztausbildung an einer Universitätskinderklinik war sie in verschiedenen Bereichen der Kinderheilkunde tätig. Ihr Wissen und ihre Erfahrung im kinderärztlichen Bereich teilt sie auf ihrem Blog „die-kinderherztin” und klärt in den sozialen Medien über wichtige Bereiche der Kindergesundheit auf. Auch bei FamilienMomente steht sie Eltern bei pädiatrischen Fragen virtuell zur Seite.


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