Stillen nach der Geburt: Tipps für den Start
Das erste Stillen nach der Geburt ist eine innige Erfahrung, die den Grundstein für die Stillbeziehung legt. Wie oft du dein Baby in den ersten Tagen anlegen solltest und wo du bei Bedarf Unterstützung erhältst, liest du in unserem FamilienMoment.
✔️ in Zusammenarbeit mit Judith Fuchs, Hebamme
Was passiert, wenn das Baby zum ersten Mal trinkt?
Nach der Geburt wird das Neugeborene untersucht. Wenn alles in Ordnung ist, legt die Hebamme dir in den meisten Fällen dein kleines Bündel Glück direkt auf den Bauch. Ganz intuitiv wird es nun beginnen, die Brustwarze zu suchen. Du kannst dich nach der anstrengenden Geburt fallen lassen und den Moment des Kennenlernens genießen. Im Kreißsaal bist du von medizinischem Personal wie deiner Hebamme umgeben, das dir bei Fragen und Unsicherheiten zur Seite steht.
Bindungsaufbau zwischen Mutter und Kind
In den intimen Momenten nach der Geburt wird durch den intensiven Hautkontakt das unsichtbare, aber starke Band zwischen dir und deinem Baby geknüpft. Gleichzeitig lernt das Kleine den besonderen Geruch und Geschmack deiner Brustwarze kennen und wird ihn von nun an immer wiedererkennen.
Das Kuscheln hat eine weitere wichtige Bedeutung: Im Körper der Mutter wird dadurch eine Hormonausschüttung ausgelöst, die die Milchbildung anregt.
Anregung der Milchbildung
Die weibliche Brust bereitet sich schon in der Schwangerschaft auf das Stillen vor. Zum Zeitpunkt der Geburt steht mit dem Kolostrum, der Vormilch, bereits die erste Nahrung für dein Baby bereit. Neben dem Hautkontakt zwischen dir und deinem Kleinen gibt es einen weiteren wichtigen Faktor, der den Startschuss für die Milchproduktion gibt: Das Saugen an der Brustwarze. Dies sollte möglichst früh erfolgen, damit sich die benötigte Milchmenge aufbauen kann.
Wie Muttermilch entsteht und was genau nach der Geburt in deinem Körper bei der Milchproduktion vor sich geht, erfährst du in unserem FamilienMoment über die Muttermilch.
Saugreflex des Babys
Manche Neugeborene saugen beim ersten Anlegen kraftvoll, andere nähern sich zaghaft an. Gemeinsam ist allen der angeborene Saugreflex: Ganz ohne Anleitung weiß dein Säugling, wie er an die Muttermilch herankommt.
Das Saugen dient dabei nicht nur der Nahrungsaufnahme. Es beruhigt das Baby und regt seine Speichelproduktion an. Im Speichel sind wichtige Enzyme, also komplexe Eiweißmoleküle, enthalten. Diese helfen bei der Vorverdauung der Nahrung und entlasten das Verdauungssystem der Kleinsten.
Stärkung des Immunsystems
Die Vormilch, auch Kolostrum genannt, ist die Milch, die dein Körper bereits während der Schwangerschaft und in den ersten zwei bis drei Tagen nach der Geburt produziert. Sie ist besonders wertvoll, denn sie
- ist leicht verdaulich und regt den ersten Stuhlgang an.
- enthält besonders viele Abwehrstoffe, die das Immunsystem stärken.
- wirkt wie eine erste Impfung, da sie viele Antikörper enthält.
- enthält Wachstumsfaktoren und fördert die Entwicklung des Verdauungstrakts, indem sie ihn mit guten Bakterien auskleidet und so den Aufbau einer gesunden Darmflora unterstützt.
Ganz normal ist die gelbliche Färbung des Kolostrums und auch, dass es nur in kleinen Mengen austritt. Die Milchmenge ist auf den winzigen Magen deines kleinen Sonnenscheins abgestimmt und enthält alles, was er braucht.
Zeitpunkt des ersten Stillens
Etwa 20 bis 30 Minuten nach der Geburt ist der Saugreflex des Kindes am stärksten. Das ist ein guter Grund, um das erste Anlegen nach der Geburt nicht zu weit hinauszuzögern. In der Regel ermöglichen Geburtskliniken dies auch nach einem Kaiserschnitt. Und selbst wenn sich die Premiere ein wenig verzögert, ist dies kein Grund zur Verzweiflung. Mit viel Hautkontakt und Geduld kannst du dennoch in eine erfüllte Stillbeziehung starten.
Beim ersten Stillen geht es nicht so sehr um die Menge, die dein Baby trinkt, da sein Magen ohnehin noch mit Fruchtwasser gefüllt und winzig klein ist. Wichtig ist, dass durch das Saugen die Milchproduktion der Mutter angeregt wird und das Baby vom wertvollen Kolostrum profitieren kann. Hebamme Judith Fuchs
Wie oft sollte direkt nach der Geburt gestillt werden?
Damit die Milchbildung in Gang kommt und dein Körper sich auf seine neue Aufgabe einstellen kann, ist häufiges Anlegen in den ersten Tagen und Wochen besonders wichtig. Als Richtwert gelten acht bis zwölf Stillmahlzeiten in 24 Stunden. Es darf aber auch mehr sein.
Nach und nach wirst du lernen, die Hungersignale deines Babys wie suchende Kopf- und Lippenbewegungen zu deuten. Damit die Milchbildung gleichmäßig unterstützt wird, solltest du dem Kleinen beide Brüste im Wechsel anbieten.
Die Vorteile des häufigen Stillens nach der Geburt
Aus diesen Gründen ist das häufige Stillen in der ersten Zeit nach der Geburt so sinnvoll:
- Es regt die Milchproduktion an.
- Es fördert einen schnellen Milcheinschuss und den Übergang vom Kolostrum zur Übergangsmilch und schließlich zur reifen Milch.
- Nähe und Kuscheln: Stillen fördert das Bonding, also den Aufbau der innigen Beziehung zwischen dir und deinem Baby.
- Übung macht den Meister: Du erhältst Sicherheit und Selbstbewusstsein für die Stillzeit.
- Während des Milcheinschusses kann häufiges Stillen schmerzende Brüste und Schwellungen lindern.
Wie du bequem stillst, liest du in unserem FamilienMoment über die beliebtesten Stillpositionen. Als Mehrlingsmutter kannst du dich hier über das Stillen von Zwillingen informieren.
Das Stillen sollte sich vorrangig am Bedarf des Babys orientieren – nicht an einem Zeitplan. Wenn sich das Gewicht des Säuglings normal entwickelt, gibt es keinen Grund, ihn aufzuwecken, wenn er eine Mahlzeit verschläft. Mütter, die unsicher sind, sollten darüber am besten mit ihrer Hebamme sprechen. Hebamme Judith Fuchs
Halte deine Stillmomente im Tagebuch fest
Gerade zu Beginn der Stillzeit hilft das Führen eines Tagebuchs, den Stillprozess von dir und deinem Baby zu verfolgen und besser zu verstehen:
- Du erkennst Muster, Abweichungen und eventuelle Probleme schneller.
- Das Tagebuch gibt dir Sicherheit durch die tägliche Dokumentation.
- Du erkennst und festigst Routinen: Wie oft und wie lange stillst du deinen kleinen Schatz? Wie entwickelt sich der Prozess im Laufe der Zeit? Welche Auswirkungen hat das auf deinen Tagesablauf?
Nimm Hilfe in Anspruch
Das Stillen kann zu Beginn anstrengend und ungewohnt sein. Aber ein holpriger Start bedeutet nicht, dass du nicht dennoch eine wunderschöne Stillzeit mit deinem Kind erleben wirst.
- Habe Geduld. Du brauchst vielleicht einen Moment, um dich an diese neue Aufgabe zu gewöhnen.
- Nimm Hilfe in Anspruch. Wende dich an deine Hebamme, das Krankenhauspersonal auf der Wochenbettstation oder eine ausgebildete Stillberaterin.
- Du kannst bereits bei der Geburtsanmeldung besprechen, dass du gerne stillen möchtest und erfragen, welche Unterstützung du dort bekommen könntest. In Deutschland gibt es Krankenhäuser, die das von der WHO und UNICEF initiierte Siegel „Babyfreundliches Krankenhaus“ tragen. Diese verpflichten sich dazu, aktiv das Stillen zu fördern und haben zum Beispiel speziell geschultes Personal.
Bei allen Unsicherheiten kann es hilfreich sein, auch deinen Partner mit einzubeziehen und offen mit ihm darüber zu sprechen. Viele Tipps, wie der Papa in der Stillzeit unterstützen kann, findest du in unserem FamilienMoment über Papas Hilfe beim Stillen.
Wenn das Baby nicht gestillt werden kann
Das Stillen hat viele Vorteile. Es kann individuelle Gründe geben, warum eine Frau nicht stillen kann oder möchte. Wichtig ist, dass das Kolostrum, also die besonders wertvolle Vormilch, dem Baby nach der Geburt mit dem Fläschchen gefüttert wird. Da die Menge an Kolostrum sehr gering ist, kann alternativ auch ein kleiner Becher oder eine Spritze genommen werden, um das Baby zu füttern. Dabei ist der Hautkontakt essenziell, damit es sich ebenso geborgen fühlt wie bei einer Stillmahlzeit.
Milchproduktion anregen
Wenn du dich gegen das Stillen und für das Füttern von Muttermilch entscheidest, solltest du in den ersten Tagen und Wochen regelmäßig abpumpen. Das regt die Milchproduktion an. Ebenso wichtig wie für das Baby ist in dieser Phase auch für die Mama das Kuscheln und der Hautkontakt, da es die Produktion der milchbildenden Hormone fördert.
Angenehme Atmosphäre schaffen
Nicht nur für die ersten Tage, sondern generell gilt: Achte darauf, dass du auch beim Füttern mit dem Fläschchen eine vertraute Atmosphäre schaffst, um deinem Baby Sicherheit und Geborgenheit zu schenken. Sobald die Milchproduktion eingespielt ist, kann dabei natürlich auch der Papa tatkräftig unterstützen.
Hebamme
Judith Fuchs begleitet als Hebamme Geburten im Kreißsaal. Sie steht Frauen und ihren Familien während der Schwangerschaft, des Wochenbetts und der Stillzeit unterstützend zur Seite. Eine respektvolle, individuelle und interventionsarme Betreuung sind ihr dabei ein Herzensanliegen. In unseren FamilienMomenten klärt sie als Expertin über alle Themen rund um Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit auf. Judith Fuchs hat eine Tochter.